Solarpanels auf einem Hausdach vor blauem Himmel.

«Auch bei Primeo Energie gibt es Potenzial nach oben»

100%
3 min
23.11.2021

Bis 2050 soll die Energieversorgung in der Schweiz zu 100 Prozent erneuerbar sein. Das ist die Vision des Vereins für umweltgerechte Energie (VUE). Gemeinsam mit Energieversorgern arbeitet der VUE daran, das Ziel zu erreichen. Ein Gespräch mit VUE-Sprecherin Ursula Stocker.

Ursula Stocker, klären wir doch zunächst ein Rätsel: Worin liegt bei Ihnen der Unterschied zwischen erneuerbar und ökologisch? Erneuerbar ist doch automatisch auch ökologisch, oder nicht?

«Nein. Erneuerbar bedeutet vor allem die Abgrenzung zu Kohle und Nuklearenergie. Die Schweizer Energieproduzenten generieren mehr als 90 Prozent des erneuerbaren Stroms aus Wasserkraft. Und die Wasserkraftnutzung hat grosse Auswirkungen auf die umliegenden Lebensräume. Mit «ökologischem» Strom achten wir bei den Gewässern sehr genau darauf, dass Leben rund um die Kraftwerke möglich ist. Beim Biogas sind Kriterien wie die Art des Brennstoffs oder die Transportwege wichtig.»

Ursula Stocker, Sprecherin des VUE

Ursula Stocker ist Sprecherin des Vereins für umweltgerechte Energie (VUE).

Ihr Verein vergibt das Gütesiegel «naturemade» für saubere Energie. Der Strom von Primeo Energie hat in der Grundversorgung Ihren naturemade-Segen. Wie läuft eine Zertifizierung bei Ihnen ab, wie bekommen Energieversorgungsunternehmen das Siegel?

«Wenn ein Energieversorger daran interessiert ist, naturemade-Produkte anzubieten, wendet er sich an uns. Dann kontaktieren wir eine aussenstehende Zertifizierungsstelle. Diese prüft dann, ob das Energieunternehmen unsere Kriterien einhält. Wenn es, wie bei Primeo Energie, um Strom geht, dann legt das Unternehmen den Experten zum Beispiel dar, woher der Strom bezogen wird, wie sich das Produkt zusammensetzt, ob es die Anforderungen der Biodiversitätsförderung einhält und so weiter. Unsere internen Experten und unser Vorstand entscheiden schliesslich, ob die Kriterien für eine naturemade-Zertifizierung erfüllt sind.»

«Besonders schön ist bei Primeo Energie, dass der Strom zum grössten Teil aus der Region stammt.»

Ursula Stocker, VUE

Wie sah die Lage bei Primeo Energie aus?

«Primeo Energie hat unsere Anforderungen vollständig erfüllt. Besonders schön ist, dass die Produkte zum grössten Teil aus der Region stammen. Schon seit längerer Zeit investiert Primeo Energie in ein nachhaltiges Angebot. Zum Beispiel mit der Förderung von Photovoltaikanlagen, mit den Angeboten im Bereich E-Mobilität, mit der Energieberatung oder über die Beteiligungsgesellschaft aventron.»

Der Verein für umweltgerechte Energie (VUE)

wurde 1999 gegründet. Er setzt sich für die Förderung der erneuerbaren und ökologischen Energieproduktion und Energielieferung ein. Das Gütesiegel «naturemade» wird sowohl für Strom als auch für Wärme, Biogas, Wertstoffe sowie für Effizienz-Zertifikate vergeben. Auch Primeo Energie arbeitet mit dem VUE zusammen.

Den VUE kennenlernen

Wo sehen Sie für Primeo Energie noch Luft nach oben? Was können wir besser machen?

«Primeo Energie hat noch Potenzial beim Strommix. Sie haben wegen der Beteiligung an Alpiq insgesamt immer noch einen hohen Nuklearanteil. Allerdings hat ein Energieversorger das nicht immer in der Hand. In Ihrem Fall hängt das damit zusammen, dass Sie viele Kunden im freien Markt bedienen. Und die interessieren sich weniger für Ökologie als für die Preise. Da ist man dann natürlich relativ schnell bei der Nuklearenergie.»

Sie sprechen die Nuklearenergie an. In jüngster Zeit scheinen sich viele Menschen dieser Technologie wieder zuzuwenden, gerade im Kampf gegen den Klimawandel. Denn Atomstrom ist klimaneutral. Wie sehen Sie das?

«Der VUE hat da eine klare Position. Da wir uns um erneuerbare Energie kümmern, ist Nuklearenergie für uns überhaupt kein Thema. Ich persönlich finde, man kann nicht versuchen, ein Problem zu lösen, und gleichzeitig ein anderes Problem generieren. Wir haben das Thema der Radioaktivität nicht im Griff. Und das ist ein Riesenproblem, wenn man die Atomenergie im grossen Stil wieder hochfährt. Zudem gibt es Alternativen, die dieses Problem nicht mit sich bringen. Deshalb verstehe ich diese Debatte überhaupt nicht und halte sie für zu eng gedacht.»

Kernkraftwerk Leibstadt mit Kühlturm

Das Kernkraftwerk Leibstadt: Gegen die Nuklearenergie sprechen sich Ursula Stocker und der VUE klar aus.

Würden Sie sich in der Schweiz mehr Windenergie wünschen?

«Es gibt bei der Windenergie Vorbehalte, die wir verstehen. Den Landschaftsaspekt etwa. Ich kann verstehen, dass sich mancher am Bild eines Windrads stört. Den ganzen Lärmteil hat man hingegen im Griff. Das muss man seriös planen, mit den richtigen Abständen zu Siedlungen. Und wenn man irgendwann eine bessere Alternative als den Wind findet, dann sind die Masten sofort wieder abgebaut. Die Windenergie hat keine nachhaltigen Auswirkungen und Probleme wie andere Lösungen. Deshalb denke ich, man sollte die Standorte nutzen. Und ich glaube, der VUE teilt diese Meinung.»

Kommen wir zurück zum VUE: Wieso können Kundinnen und Kunden Ihrem Label naturemade vertrauen?

«naturemade arbeitet mit Kriterien, die wissenschaftlich fundiert sind und immer wieder neu überprüft und angepasst werden. Die Kriterien sind sehr differenziert und insbesondere bei naturemade star sehr streng. Ob ein Energieversorger die Kriterien einhält, ich habe es bereits gesagt, wird unabhängig überprüft. Das Zertifikat muss alle fünf Jahre erneuert werden.»

Ein Windrad steht auf einer Wiese bei blauem Himmel.

Auffällige Windräder: Viele Leute stören sich am Bild von Rotoren in der Landschaft oder klagen über den Lärm der Anlagen.

In Ihrem Verein sitzen neben Umweltorganisationen auch Energieunternehmen. Macht Sie das nicht unglaubwürdig?

«Unsere Träger sind zur Hälfte die Umwelt- und Konsumentenorganisationen Pro Natura und WWF. Wir haben im Präsidium aber auch Energieversorger, das ist richtig. Unsere Stimmverhältnisse sind so, dass keine Seite die andere überstimmen kann. Wir sind in hohem Masse auf Konsenslösungen angewiesen und können nur Dinge realisieren, die auf beiden Seiten akzeptiert werden. Deshalb ist es unproblematisch, dass Energieversorgungsunternehmen in unserem Verein sitzen.»

Trotzdem besteht doch wohl ein Interessenkonflikt, wenn die Unternehmen, also die Geprüften, mit am Tisch sitzen. Oder etwa nicht?

«Als der Verein vor 22 Jahren gegründet wurde, schlug das ziemlich hohe Wellen. Das war damals einzigartig in Europa. Dass Umweltorganisationen mit der Energiewirtschaft gemeinsam ein Label auf den Markt bringen, gab es zuvor nicht. Es war aber das Kernanliegen des VUE, hier eine Zusammenarbeit anzustreben. Für gute Lösungen sind wir auf Zusammenarbeit angewiesen. Und das Gleichgewicht, das ich vorhin angesprochen habe, ist da.»

Die Logos von natremade und naturemade star vom VUE

Die Stromprodukte von Primeo Energie sind naturemade-zertifiziert.

Wie garantieren Sie Ihre Unabhängigkeit gegenüber den Energieunternehmen?

«Hier ist das Vertrauen in die Umweltorganisationen entscheidend. Wenn auf sie Verlass ist, dann gewährleistet das unsere Glaubwürdigkeit. Und wir haben die Erfahrung gemacht, dass das funktioniert. Immer wieder legt im VUE eine Seite ihr Veto ein. Unser System würde gar nicht funktionieren, wenn eine Seite einseitig ihre Interessen durchsetzen wollte. Und als Konsument muss man sich sicher sein können, dass sich etwa der WWF auf die Beine stellt, wenn ein Energieversorger etwas durchsetzen will, das gegen die ökologischen Interessen ist. Das ist bei uns ganz klar der Fall.»

Ökologischer Strom von Primeo Energie

Primeo Energie bietet ihren Kundinnen und Kunden in der Grundversorgung hundertprozentig erneuerbaren Strom an. Die Produkte Primeo Standard und Primeo Grün sind beide vom VUE zertifiziert und tragen das naturemade-Gütesiegel des Vereins. Kundinnen und Kunden beteiligen sich durch den Stromkauf automatisch an Naturschutzmassnahmen.

Ökologischen Strom beziehen

Autor: Viktor Sammain

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