Basler DJ Thom Nagy legt auf.

«Elektronische Musik ist viel mehr als banales Bumbum»

5 min
08.07.2022

Strom ist aus der Musik nicht mehr wegzudenken. Im Gegenteil: Stilrichtungen wie House und Techno, die aus elektronisch erzeugten Klangwelten bestehen, befinden sich seit Jahren auf einem Siegeszug. Wie kam es dazu, und wo liegen die Ursprünge dieses Sounds? Der Basler DJ Thom Nagy (43) erklärt die Welt der Elektromusik.

Thom Nagy, du bist seit Jahrzehnten als DJ Teil des Basler Nachtlebens. Erzählst du uns von deinen Anfängen an den Plattentellern?

Da landen wir tief in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Seit etwa 1994 bin ich als DJ aktiv. Anfangs habe ich einfach aufgelegt, einige Jahre später habe ich damit begonnen, selber Musik zu produzieren. In meinen Anfangszeiten habe ich mich vor allem mit Breakbeat, Jungle und Drum ʼn’ Bass auseinandergesetzt. Seit etwa zwanzig Jahren spiele ich vor allem Techno und House verschiedenster Spielarten

Moment, wir verstehen nur Bahnhof. Was hat es mit diesen verschiedenen Bezeichnungen auf sich?

In der elektronischen Musik gibt es heute eine schier unüberschaubare Vielfalt von Mikrogenres. Alles einer klaren Stilrichtung zuzuordnen, ist kaum möglich, die Vielfalt steht im Vordergrund. Da gibt es sperrige, anspruchsvolle Klänge, die sich den gängigen Hörgewohnheiten verweigern und einen eigenen künstlerischen Ansatz verfolgen. Auf der anderen Seite des Spektrums steht kommerzielle, bombastische Tanzmusik, die inzwischen in den gängigen Charts anzutreffen ist. Zu den bekanntesten Exponenten der Electronic Dance Music gehören beispielsweise David Guetta oder die Swedish House Mafia, die mit ihrer Musik ganze Stadien füllen. Solche Künstler haben gewisse Aspekte der Elektromusik aufgegriffen und auf Massentauglichkeit hin perfektioniert. Dazwischen gibt’s so ziemlich jede Ausprägung von elektronischer Musik – mit oder ohne Gesangsparts.

Wer oder was genau hat denn deine Faszination für elektronisch produzierte Musik geweckt?

Ich erinnere mich gut an jenen Moment, als ich bei meinem Cousin zu Hause war und im Radio «Out of Space» der britischen Rave-Formation The Prodigy lief. Dieser Track durchdrang mich wie ein Blitz, und ich wollte unbedingt mehr davon. Damit hat alles angefangen, ich war damals etwa 14 oder 15 Jahre alt.

Thom Nagys Top-3-Elektrohits, die alle kennen sollten

James Holden – 10101

DJ Koze – XTC

PFM – Dannys Song

The Prodigy gelten durchaus als einer der Pioniere der elektronischen Tanzmusik. Aber der Ursprung des Elektro liegt viel weiter zurück …

Stimmt, das war wohl Ende 60er-, Anfang 70er-Jahre. Wie sich das Ganze genau entwickelt hat, ist schwierig zu sagen, da es viele verschiedene Strömungen gab – insbesondere aus Paris, Düsseldorf und Berlin. Aber mitentscheidend waren die ersten analogen Synthesizer und später die ersten Drummachines zur Erzeugung von Beats und Rhythmen. Diese Geräte wurden sozusagen dazu «missbraucht», neue, synthetische Klangwelten zu erschaffen. In Europa war die sogenannte Krautrock-Szene mit Bands wie Kraftwerk prägend für diesen neuartigen Sound. In den USA wiederum kamen zu dieser Zeit die Stilrichtungen Disco und Funk auf, die ebenfalls stark auf elektronische Klangerzeuger zurückgreifen. Aus all den verschiedenen Einflüssen entstanden letztlich Techno und House, die sozusagen die Basis von dem bilden, was heute oft unter dem – meiner Meinung nach schwierigen – Sammelbegriff Elektro zusammengefasst wird.

Du hast den Synthesizer und den Drumcomputer erwähnt: Welche weiteren Komponenten waren für die Entwicklung der Elektromusik wichtig?

Elektronische Musik war schon immer eng verbandelt mit der technologischen Entwicklung. Entsprechende Geräte waren früher sehr teuer, heute brauchst du bloss einen PC und eine Produktionssoftware. Sogar auf dem Smartphone kann man Tracks produzieren. Als Folge haben sich die verschiedenen Genres rasant weiterentwickelt, und der Markt wird mit Unmengen an Tracks überschwemmt. Elektronische Musikproduktion ist heute für fast alle erschwinglich und wurde so in den letzten Jahren demokratisiert – und digitalisiert. In meinen Anfängen als DJ bin ich noch mit 30 bis 40 kg schweren Plattenkisten von Club zu Club getingelt. Heute reicht mir ein USB-Stick.

Was fasziniert dich am Elektro?

Die Vielfalt und die Grenzenlosigkeit. Jede und jeder kann sich damit neu definieren, neue Klangwelten erforschen und Emotionen auslösen. Ich persönlich suche stets den emotionalen Kern in der Musik. Was braucht es, um mit neuen Klängen gewisse Zustände zu erreichen? Durch stampfende Beats und eine gewisse Monotonie lädt elektronische Tanzmusik auf eine besondere Weise dazu ein, sich für einen Moment komplett zu vergessen und in einen tranceartigen Zustand zu gelangen. Dabei geht es weniger um einen einzelnen Track, sondern um ein gesamtes DJ-Set als grösseren Rahmen.

Welche Vorurteile gegenüber Elektro magst du nicht mehr hören?

Früher hiess es, unser Sound sei keine richtige Musik, sondern nur banales Bumbum. Inzwischen werde ich kaum mehr mit solchen Vorurteilen konfrontiert. Das Genre ist inzwischen etabliert und breit akzeptiert, zumal heute kaum mehr Musik ohne elektronische Hilfsmittel produziert wird.

Basler DJ Thom Nagy mit USB-Stick

Ein Stick ersetzt Dutzende Platten: Thom Nagy legt heute digital auf.

Wie meinst du das?

Elektronische Einflüsse sind heute überall spürbar. Es gibt Pop-Bands wie Coldplay, die sich an synthetischen Stilmitteln bedienen und ganze Alben in Zusammenarbeit mit Elektro-Künstlern herausgebracht haben. Nur schon die Aufnahme und Nachbearbeitung von Musik, viele Klangelemente, Drums und Samples sind elektronisch erzeugt.

Welches sind die wichtigsten Schweizer oder gar Basler Elektro-Exporte?

Prägende Schweizer Exponenten gibt es seit langem: Yello gehört bestimmt dazu oder die Young Gods. In jüngerer Vergangenheit und von der Reichweite her sind heute Künstler wie Adriatique hoch im Kurs, aber auch Andrea Oliva, der auf Ibiza vor grossen Crowds spielt. Als Basler muss ich DJ Antoine erwähnen, der mit seiner Art von Scheiaweia seit Jahren im In- und Ausland erfolgreich ist.

Hörst du eigentlich auch andere Musik als Elektro – wenn ja, welche?

Ja, klar. Mir gefällt vieles, von Hiphop über Singer-Songwriter bis Pop und R ʼnʼ B. Entscheidend ist, ob die Musik für mich authentisch ist und Gefühle erzeugen kann oder eben nicht. Als Kind habe ich übrigens Klavier und Cello gespielt. Ich kenne also auch diese Seite der Musik.

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Autor: Luk von Bergen

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