Ein umgestürzter Baum liegt im Wald auf einer Stromleitung

Wenn’s chlöpft, brennt oder gurgelt

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5 min
11.05.2021

Als Energieversorgungsunternehmen ist Primeo Energie gegen Stromausfälle mehrfach abgesichert. Entsteht trotzdem eine Krise, kommt Lorenz Cairoli zum Zug. Der Stabschef des Krisenstabs erzählt von Hackern, Sandwiches und einer Überschwemmung.

Wer Elektrizität bei Primeo Energie bezieht, war 2020 im Schnitt 9,8 Minuten ohne Strom. Dies aufgrund von Störungen oder geplanten Abschaltungen. Der Schweizer Durchschnitt hingegen beträgt mit etwa 19 Minuten Stromausfall pro Person und Jahr fast das Doppelte.

Ein Grund dafür sind stetige Investitionen in neues Material. Die kurze stromfreie Zeit verdankt Primeo Energie aber auch der Leitstelle sowie den rund um die Uhr bereitstehenden Pikettmitarbeitenden. Sie beheben kleinere Störungen, die immer wieder auftreten. Beispielsweise dann, wenn die Verbindungsmuffe einer Untergrund-Stromleitung durch Feuchtigkeit, Kälte und Wärme mit der Zeit kaputtgeht. Oder aber wenn eine Baumaschine eine Leitung aus Versehen beschädigt.

Ein schwer beschädigter Verteilerkasten an einer Strasse

Bei kleineren Vorfällen übernimmt der Pikettdienst.

Und in der Krise?

Handelt es sich aber nicht nur um einen Zwischenfall, sondern um ein unvorhergesehenes, grösseres Ereignis, kann es sein, dass der Krisenstab aufgeboten wird. Das kann bei grossflächigen Ausfällen oder Naturkatastrophen der Fall sein. Lorenz Cairoli ist in der Unternehmensentwicklung von Primeo Energie tätig und Stabschef des Krisenstabs.

Lorenz Cairoli, was ist die Aufgabe des Krisenstabs?

Je nachdem, welcher Bereich betroffen ist – also zum Beispiel Wärme, Netz oder IT –, übernimmt das jeweilige Mitglied des Stabs die Leitung in der Bewältigung des Ereignisses. Dann ist die Aufgabe des Krisenstabs, allen Leuten zuzudienen, sodass sie ihren Job bestmöglich ausführen können. Wir schauen, dass Öl im Getriebe ist, und entfernen den Sand. Der Krisenstab spannt einen «Schirm» über die Störung und schafft günstige Voraussetzungen, diese rasch zu bewältigen.

Portrait von Lorenz Cairoli

Lorenz Cairoli, Leiter des Krisenstabs bei Primeo Energie.

Was bedeutet das konkret?

Wir unterstützen zum Beispiel die Teamplanung. Wenn ein Netzmitarbeitender schon stundenlang am Reparieren ist, schicken wir ihn nach Hause zum Schlafen und organisieren eine Ablösung. Für das Einsatzteam bestellen wir Sandwiches oder warmen Tee. Aber auch Koordination gehört zu unseren Aufgaben. Wir informieren alle Involvierten über aktuelle Fortschritte und halten ihnen den Rücken frei.

Welches sind die häufigsten Ursachen von Störungen im Stromnetz?

Leider kommt es recht häufig vor, dass Baumaschinen Leitungen im Boden beschädigen. Das sind dann aber keine Krisen. Der Strom wird meist automatisch umgeleitet, sodass die nicht direkt betroffenen Häuser trotzdem noch versorgt sind. Dann rücken die Netzelektriker aus und reparieren den Schaden. Ich nehme das am nächsten Tag im Rapport zur Kenntnis. Ähnlich sieht es aus, wenn beispielsweise ein Lastwagen mit einem Strommasten kollidiert.

Ein Stromkabel mit einer beschädigten Aussenhülle

Schäden durch Baumaschinen kommen häufig vor. Zum Glück sind diese in der Regel schnell behoben.

Nehmen wir an, am Unterwerk Froloo in Therwil legt jemand ein Feuer. Wie reagieren Sie?

Na ja, da muss man sich ganz schön Mühe geben, dass das brennt. Denn das Bauwerk besteht hauptsächlich aus Beton und Metall – nicht brennbaren Materialien. Zudem sind solche Anlagen gegen Einbruch geschützt.

Sagen wir, es entwickelt sich trotzdem ein Feuer: Dann bekomme ich – zusammen mit den zuständigen Netzmitarbeitenden – einen Anruf und muss den Krisenstab mobilisieren. Da das Stromnetz betroffen ist, wird der Geschäftsführer Netz zum Leiter des Ereignisses. Das Unterwerk Froloo ist quasi eines unserer Eingangstore, wo Strom in unser Netz fliesst. Fällt es aus, leiten wir die Elektrizität, wenn möglich, über andere Verbindungswege ins Netzgebiet.

Unterwerk Froloo

Das Unterwerk Froloo ist ein wichtiger Einspeisepunkt für das Versorgungsgebiet von Primeo Energie. Dort beziehen wir Höchstspannungsstrom vom schweizweiten Netz. Transformatorenstationen verringern die Spannung in mehreren Schritten. Schliesslich leiten wir den Strom mit 230 Volt an die Steckdose zu Hause.

So einfach ist die Krise abgewehrt?

Wenn mehr schiefläuft, könnte das Stromnetz in der Region zusammenbrechen. Dann übernimmt die Schweizer Netzbetreiberin Swissgrid das Zepter beim Wiederaufbau des Netzes. Für diesen Ernstfall trainieren unsere Leute regelmässig mit einem Simulator.

Eine gruppe Männer steht in einem überfluteten Fluss und baut eine Barriere auf

Bei grösseren Ereignissen und Naturkatastrophen sorgt der Krisenstab für einen reibungslose Ablauf der Arbeiten.

Das Verwaltungsgebäude von Primeo Energie steht in Münchenstein direkt an der Birs. Was, wenn der Fluss bei einem Hochwasser über die Ufer tritt?

Das gab es sogar schon mal, nämlich im August 2007. Das war mein erster Einsatz als Stabschef. Wir sahen aus dem Fenster, wie das Wasser immer mehr anstieg. Zuerst versuchten wir, es mit Sandsäcken zu stoppen. Doch das Wasser brach durch und flutete den Parkplatz. Wir wiesen die Mitarbeitenden an, den Parkplatz zu räumen, und legten einen Damm aus Kies an. Dieser konnte die Wassermassen dann zurückhalten. Im Gebäude selbst blieben wir mehr oder weniger im Trockenen.

Worauf muss der Krisenstab sonst noch vorbereitet sein?

Eine realistische Gefahr sind Cyberangriffe. Wir arbeiten laufend daran, dieses Risiko möglichst gering zu halten. Hinzu kommt die Erdbebengefahr. Je nach Stärke eines möglichen Bebens sind wir den Naturgewalten ein Stück weit ausgeliefert. Für diesen Ernstfall verfügen wir über verschiedene Instrumente, die uns bei der Krisenbewältigung helfen. Zum Beispiel unabhängige Funknetze, die auch dann funktionieren, wenn die Telefonleitungen ausfallen. Im Ernstfall müssen wir auf die Unterstützung der umliegenden Netzbetreiber im In- und Ausland zählen. Die Kollegen der betriebsführenden Stelle können das Netz in naher Zukunft auch von einer externen Einsatzzentrale in Olten steuern.

Besonders im Winter eine Gefahr: Umstürzende Bäume.

Fühlen Sie sich gut auf den Ernstfall vorbereitet?

Ja. Als Energieversorgungsunternehmen sind wir mehrfach abgesichert. Krisenmanagement ist immer Teamarbeit. Alle müssen einen optimalen Beitrag zur Bewältigung des Ereignisses leisten. Für Machtkämpfe oder falschen Stolz ist da kein Platz. Es braucht Verständnis und Empathie über alle Hierarchiestufen. Mit unserem Fachwissen, den richtigen Personen an der richtigen Stelle, gegenseitigem Respekt und der nötigen Gelassenheit halten wir die Ausfallzeiten kurz. Störungen beheben wir schnell und professionell. Ziel ist immer, die Versorgungssicherheit zu Gunsten unserer Kunden möglichst hoch zu halten. Und wie die Statistik belegt, gelingt uns das ziemlich gut.

Autor: Valentin Oberholzer

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