Stromleitungen Energie

«Die Energiepreise werden langfristig hoch bleiben»

3 min
18.02.2022

Die Energiepreise sind in den vergangenen Monaten stark angestiegen – selbst für erfahrene Händler eine Ausnahmesituation. Wir haben Riccardo Pozzi, Leiter Energiewirtschaft bei Primeo Energie, gefragt, weshalb Strom so teuer ist und was die Lage für unsere Kundinnen und Kunden bedeutet.

Riccardo Pozzi, ist nach den enormen Steigerungen der Energiepreise nun wieder eine Besserung in Sicht?

Die Strompreise werden nach diesem aussergewöhnlichen Winter sicher wieder von diesem extremen Hoch herunterkommen. Allerdings, das muss man so deutlich sagen, werden sie wohl langfristig hoch bleiben. Darauf müssen sich die Kunden, wenn auch zeitverzögert, einstellen. Die Preise am Terminmarkt, also die Preise für künftige Stromlieferungen, sind derzeit sehr hoch; darauf haben wir als Energieversorger keinerlei Einfluss.

«Die Preise werden ab 2023, 2024 nach oben gehen.»

Riccardo Pozzi, Leiter Energiewirtschaft bei Primeo Energie

Ab wann werden die Energiepreise für die Kunden steigen?

Ab 2023, 2024. Im Moment lässt sich allerdings nicht konkret sagen, wie stark dieser Anstieg sein wird. Aber sicher nicht nur einzelne Prozente wie in früheren Jahren.

Riccardo Pozzi

Riccardo Pozzi ist Leiter Energiewirtschaft bei Primeo Energie.

Woran liegt der Preisanstieg der vergangenen Monate?

Ein wesentlicher Treiber ist das Gas. Gaskraftwerke setzen den Marktpreis in Europa. Und die Gestehungskosten sind für die Produzenten in Europa sehr hoch. Einmal, weil der Gaspreis hoch ist, und dann, weil sie CO2-Zertifikate kaufen müssen, die ihren Wert in diesem Jahr auch mehr als verdoppelt haben. Die Schweiz hat selbst zwar keine Gaskraftwerke, aber die Grosshandelspreise gleichen sich an, weil die Märkte international vernetzt sind.

Terminmarkt und Spotmarkt

Beim Handel am Terminmarkt wird die Leistung eines abgeschlossenen Geschäfts erst zu einem späteren Zeitpunkt erbracht. Man einigt sich also auf einen festen Preis für Strom, der dann aber erst einige Monate oder Jahre später geliefert und auch bezahlt wird. Dadurch haben Anbieter und Käufer längerfristig Preissicherheit und sind gegen Schwankungen abgesichert. Termingeschäfte sind meist Jahres-, Quartals- oder Monatsbandlieferungen.

Für die Anpassung an den stündlichen Bedarf steht der Spotmarkt zur Verfügung. Am Tag zuvor melden die Marktteilnehmer an der Börse an, wie viel Leistung sie in jeder Stunde des Folgetages kaufen oder verkaufen wollen. Je nach Verhältnis von Angebot und Nachfrage stellt sich ein höherer oder tieferer Preis pro Stunde ein. Man muss in Engpasslagen auf Preise bis einige Tausend Euro pro Megawattstunde gefasst sein. Gibt es hingegen einen Stromüberfluss, können die Preise bis ins Negative sinken. Dann bezahlen Stromproduzenten dafür, dass sie Strom ins Netz einspeisen.

Die Schweizer Energieproduktion ist mit Wasser und Kernkraft weitgehend CO2-neutral.

Richtig, und das bedeutet, dass die Produzenten hier derzeit eine sehr grosse Marge abschöpfen können. Sie brauchen kein teures Gas und keine CO2-Zertifikate einzukaufen und können bei verhältnismässig tiefen Gestehungskosten ihre Produktion zu den hohen europäischen Marktpreisen verkaufen. Die Produzenten in der Schweiz sind die grossen Gewinner dieser Entwicklung.

Wie funktionieren diese CO2-Zertifikate?

Nehmen wir Gaskraftwerke oder Kohlekraftwerke. Diese stossen bei der Stromerzeugung CO2 aus. Deshalb müssen sie Zertifikate kaufen. Das ist eine Art Abfallgebühr, die man dafür bezahlt, dass man CO2 in die Umwelt emittiert. Der Einkauf der CO2-Zertifikate erhöht die Gestehungskosten von Gaskraftwerken, und diese bestimmen in Mitteleuropa den Preis. Das Geld, das die Zertifikate generieren, wird in Klimaprojekte investiert.

Primeo Energie versorgt auch andere EVU mit Energie. Wie sieht da die Situation aus?

Wir sind ein grosses EVU, das am Markt Jahresbänder und auch kurzfristige Spotenergie einkauft. Diese Energie geben wir an andere EVU zu einem Festpreis weiter. Das ist ein Modell, das in der aktuellen Situation nicht mehr funktioniert. Üblicherweise macht man Verträge mit einem Fixpreis über ein, zwei Jahre im Voraus. Doch jetzt sind die Einkaufskosten für Spotenergie, also für Strom, den man sehr kurzfristig, teils innerhalb weniger Stunden kauft, um ein Vielfaches höher als in der damaligen Kalkulation des Festpreises angenommen. Daher müssen wir das Preismodell zukünftig flexibler gestalten. Das betrifft allerdings nicht nur uns, das betrifft die gesamte Branche.

Mann und Kind spielen Fussball auf der Wiese vor einer Solaranlage auf dem Dach.

Mit steigenden Energiepreise lohnt sich eine Solaranlage auf dem eigenen Dach immer mehr.

Was können die «ganz normalen» Kunden, also nicht die EVU, angesichts der steigenden Preise tun?

Es lohnt sich mehr denn je, in Energieeffizienz und Eigenproduktion zu investieren. Solaranlagen waren noch nie so interessant wie jetzt. Und die Attraktivität wird noch steigen, je höher die Energiekosten am Markt sind. Das schafft auch für uns wieder Geschäftsmöglichkeiten, wenn wir den privaten Stromproduzenten ihren Strom abkaufen können. Eine Win-win-Situation. Sie erhalten eine Finanzierung für ihre Anlage, wir verfügen längerfristig über Energie. Also kann man jeder Hauseigentümerin und jedem Hauseigentümer empfehlen: Produzieren Sie Ihren eigenen Strom und investieren Sie in die Energieeffizienz. 

Versorgen Sie sich selbst

Je höher die Strompreise steigen, desto eher lohnt sich eine Solaranlage auf Ihrem privaten Dach. Denn dank ihr sind Sie teilweise unabhängig von den Schwankungen der Energiepreise. Rüsten Sie Ihr Dach auf!

Ihre eigene Photovoltaikanlage

Autor: Viktor Sammain

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